Ayutthaya, die ehemalige Hauptstadt des gleichnamigen siamesischen Königreiches – als Siam wurde bis 1939 das Gebiet bezeichnet, das zum Großteil dem heutigen Thailand entspricht – wurde während des Krieges mit Burma (heutiger Name: Myanmar) von feindlichen Truppen erobert und infolge von Plünderung und Brandschatzung fast vollständig zerstört. Auch zahllose Aufzeichnungen über die Methoden und Traditionen der thailändischen Kriegskunst wurden dabei vernichtet und die geschichtliche Entwicklung des Muay Thai lässt sich daher nur noch bruchstückhaft rekonstruieren.
Die Thais (bzw. deren Vorfahren) lebten ursprünglich im Südwesten Chinas und begannen sich ab dem 9. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Nordwestthailands niederzulassen. Diese Völkerwanderung wurde ausgelöst, durch die von Norden hereinfallenden mongolischen Stämme und dauerte bis zum 13. Jahrhundert an. In den zahlreichen Auseinandersetzungen mit der dort ansässigen indischstämmigen Urbevölkerung kamen Waffen wie Schwert, Stock, Speer und Messer zum Einsatz.
Die mit diesen Waffen verbundene Kampfkunst ist heute unter dem Namen Krabi Krabong (frei übersetzt: Kurz- und Langwaffe) bekannt. Gingen die Waffen während der Auseinandersetzung verloren, wurde mit Hand-, Ellbogen-, Knie- und Tritttechniken weitergekämpft. Es wird angenommen, dass so die Kampfkunst Muay Thai Ihre Ursprünge fand und in der darauffolgenden Zeit, angelehnt an die Erfahrungen aus den kriegerischen Auseinandersetzungen, immer weiterentwickelt und perfektioniert wurde. Archäologische Funde stützen allerdings auch eine andere Theorie, nach der die Ureinwohner Thailands lange schon vor dem Einsetzen der Völkerwanderung Kampftechniken kannten, die dem Muay Thai ähnlich waren.
Um das Jahr 748 wird das erste unabhängige Königreich der Thais in Nanchao im südlichen China gegründet. Etwa 500 Jahre später wird Nanchao von den Mongolen zerstört und die dort ansässigen Thai teilen sich auf: Eine Gruppe zieht in den Bereich des heutigen Thailands, eine andere nach Laos und eine weitere nach Burma – alle diese Gebiete befinden sich zu dieser Zeit in kambodschanischer (Volksstamm der Khmer) Oberherrschaft. Die enge Verwandtschaft der in diesen Ländern heute vorherrschenden Kampfkünste – in Burma (Lethwei), in Laos (Muay Lao) und in Kambodscha (Pradal Serey) – ist augenscheinlich.
Um 1220 besiegten die Thais die im Gebiet um Sukhothai ansässigen Khmer und konnten deren Vormachtstellung brechen. Im Jahre 1238 gründete Sri Indraditya das thailändische Königreich von Sukothai und wurde erster König der gleichnamigen Dynastie. Dessen Sohn Ramkhamhaeng, der ab ca. 1279 Sukhothai regierte, weitete den Einflussbereich des Reiches bis nach Laos, Burma und an die Grenzen Vietnams aus. Historischen Aufzeichnungen zufolge war es König Ramkhamhaeng, der sich um vielfältige kulturelle und soziale Fortentwicklungen verdient machte, als auch die thailändischen Kampfkünste reformierte und einer systematischen Neuordnung unterzog. In der Folge wurde das neue vereinheitlichte System zu einem festen Bestandteil der militärischen Ausbildung.
Im Jahr 1351 erfolgte die Gründung des Königreichs und der gleichnamigen Hauptstadt Ayutthaya. Die Bewohner mussten sich wiederholt dem burmesischen Streben nach Macht- und Landgewinn entgegensetzen, was unter anderem durch die Effektivität ihrer Kampfkünste bis ins Jahr 1569 gelang. In diesem Jahr wurde dann aber Ayutthaya als burmesische Provinz einverleibt. Im Jahr 1592 vertrieb der thailändische König Naresuan – ein großer Meister der thailändischen Kriegskunst – die Burmesen wieder, nachdem er, deren Streitmacht bei Nong Sarai besiegen konnte und, der Überlieferung nach, den gegnerischen Thronfolger Prinz Mingyi Swa in einem Zweikampf tötete. Auch zahlreiche andere thailändische Könige waren ausgezeichnet in den Kriegskünsten und im Zweikampf ausgebildet, so z.B. Prachao Suea (wörtlich der "Tigerkönig"), der inkognito durch das Land reiste, um sich auf Dorfplätzen mit den jeweiligen Lokalmatadoren im sportlichen Zweikampf zu messen.
Es folgte eine Zeit des Wohlstandes und des Friedens, dennoch war die Pflege und Entwicklung der Kriegskunst weiterhin von Bedeutung. Zahlreiche Stilrichtungen wurden miteinander verglichen und kombiniert, um die Effektivität dieser Vorläufer des Muay Thais zu verbessern. Heute sind die Techniken dieser traditionellen Formen unter dem Namen Muay Boran (Boran = traditionell, alt) zusammengefasst und bekannt. Das Muay Boran geht weit über die waffenlose Ausführung des heutigen Muay Thai hinaus und zahlreiche Techniken und Prinzipien sind inspiriert von den Bewegungsmustern verschiedener Tiere wie z.B. Tiger, Kranich, Affe oder Wasserbüffel.
Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene Stilrichtungen mit regionaler Prägung und unterschiedlichen Schwerpunkten, wie z.B. Muay Korat (nordöstliche Region), Muay Chaya (südliche Region) und Muay Lopburi (zentrale Provinzen).
Ayutthaya, damals eine der blühendsten Städte des Ostens, wurde 1767 erneut von den Burmesen eingenommen und bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Der Legende nach fragte der burmesische König bei einer Feier in Rangun am 17. März 1770 die verschleppten und versklavten Thais, wer von ihnen gegen die burmesischen Krieger kämpfen wolle. Der Thai Nai Kha Nom Tom nahm die Herausforderung an und besiegte nacheinander zehn der besten burmesischen Kämpfer. In Anerkennung dieser Leistung, wurde Nai Kha Nom Tom gewährt, seinem Begehren entsprechend, in seine Heimat zurückzukehren. Der 17. März wird deshalb bis heute als Tag des Muay Thai gefeiert.
Dem General und Truppenführer Taksin (auch bekannt als Phraya Tak) gelang es sich der burmesischen Invasion zu entziehen und die versprengten Truppenverbände neu zu formieren. Die vormals verlorenen Gebiete wurden zurückerobert und Thonburi als neuer Regierungssitz festgelegt. Taksin herrschte bis zum Jahre 1781 in welchem er durch eine Rebellion entmachtet und kurze Zeit später hingerichtet wurde. Der General Chao Phraya Chakri bestieg im Jahr darauf als König Ramathibodi (später Rama I.) den Thron und gründete die neue Hauptstadt Rattanakosin (das heutige historische Zentrum Bangkoks). Die Chakri-Dynastie, welche noch heute in Thailand formal als konstitutionelle Monarchie regiert, wurde von ihm begründet. Sein ältester Sohn (Rama II.) folgte ihm auf den Thron und ließ im Bereich des Königspalastes eine Arena erbauen, in welchem dem Volk Kämpfe mit und ohne Waffen präsentiert wurden.
In der Folgezeit erfreute sich das Muay Thai in der militärischen Ausbildung, im sportlichen Zweikampf und bei Vorführungen im Rahmen festlicher Anlässe, großer Beliebtheit. Auch wenn im Zuge der Moderne, der waffenlose Nahkampf keine Bedeutung mehr in der Kriegsführung besitzt, so symbolisiert das Muay Thai dennoch weiterhin die Freiheit und Unabhängigkeit Thailands, die es ehemals zu erringen und zu verteidigen galt.
Die ersten Muay Thai Wettkämpfe in einem offiziellen Ring wurden 1921 ausgetragen. Wenige Jahre später wurden feste Rundenzeiten festgelegt und zum ersten Mal Boxhandschuhe verwendet. Zuvor hatten die Kämpfer ihre Hände lediglich mit Hanfseilen umwickelt (sogenanntes Muay Kard Chuek) und als Zeitmaß galt eine Kokosnussschale, welche ein Loch hatte, und ins Wasser gelegt wurde – ging die Schale unter, war der Durchgang beendet. Weitere Standards und Reglementierungen wurden eingeführt und ebneten dem Muay Thai als Wettkampf- und Freizeitsport seine Verbreitung in der ganzen Welt.
Vor jedem Kampf wird von den Sportlern im Ring eine traditionelle Zeremonie präsentiert – der sogenannten Wai Kru. Die Bewegungsabläufe und Positionen bringen Respekt und Dankbarkeit vor den toten und lebenden Meistern des Muay Thai, den Trainern, der eigenen Familie oder der Religion zum Ausdruck. Darüber hinaus können die Kämpfer sich dabei auf das bevorstehende Duell einstimmen, mit der Atmosphäre in der Kampfarena vertraut machen, fokussieren und ihre Nervosität ablegen, sowie gezielt Aufwärmen.
Im ersten Teil umrunden die Kämpfer dreimal den Ring bevor sie sich auf den Boden knien und verbeugen. Der zweite Teil der Performance wird Ram Muay genannt, bei dem die Kämpfer durch tanzähnliche Bewegungen eine Geschichte darstellen, bei dem die Kampfstärke, die Stilrichtung sowie historische oder regionale Merkmale im Zentrum der Darbietung stehen.
Eine mit klassischen thailändischen Instrumenten gespielte Musik (Sarama) begleitet diesen Akt zunächst noch in einem gemächlichen Tempo. Mit Kampfbeginn und fortschreitender Kampfdauer steigert sich die Geschwindigkeit zunehmend, womit die Musik zu einem maßgeblichen Teil der Dramatugie und Atmosphäre beiträgt.